Prolog -
Der Novize der Hexer
Gezwitscher, so schallend, dass es in den Ohren schmerzte. Vrokai kniff die Lider fest aufeinander und legte die Hände seitlich an den Kopf. Das schrille Tschilpen wurde dadurch gedämpft, aber es reichte nicht aus, um die benötigte innere Ruhe wiederzuerlangen, um weiter für die Auslese der Novizen zu üben. Vrokais Gedanken kreisten alleinig um den Störenfried, dessen Schuld es war, dass die im Stillen aufgesagten Sprüche der Hexerei wie Wasser in einem trockenen Flusslauf versiegt waren. Mit jedem Atemzug schwoll der Zorn an und das durch die Vorfreude erwachte Kribbeln im Bauch hatte sich längst zu einem nagenden Ziehen gewandelt.
Vrokai knurrte erbost und riss die Augen auf. Sein Blick sprang von der Raumdecke zum geöffneten Fenster. Die Vorhänge flatterten durch den lauen Windzug und stoben schließlich auseinander. Sie gaben eine begrenzte Sicht nach draußen frei und der im Mauerwerk verankerte metallische Rahmen glänzte in der Sonne. So weit Vrokai von seinem Schlaflager aus erkennen konnte, stand den Hexern im Konvent erneut eine warme Sonnenwanderung bevor. Doch nicht der blaue Himmel ließ sein Herz schneller schlagen, sondern der bräunlich gefiederte Vogel, der sich just in dem Moment aufrichtete, mit den Flügeln schlug und ein helles Zwitschern ausstieß.
Vrokais Mund glich sogleich einer schmalen Linie. Er streckte den Arm aus, öffnete die Hand und murmelte »Guruth«, während er zugleich die Finger schloss. Knöchelchen sowie die langen Schwingenfedern knackten. Die fröhliche Melodie nahm für zwei Herzschläge einen dunklen Ton an, dann bäumte sich das Tier auf und stürzte rücklings von der Stange. Vrokais höhnisches Lachen übertönte den dumpfen Aufschlag des Körpers auf dem Steinboden und das Geräusch des panischen Geflatters. Im Nu hatte sich der Zorn verflüchtigt, stattdessen wuchs die Faszination über den aussichtslosen Kampf gegen den ansteigenden Druck, der langsam den Vogelkörper zerquetschte.
Er warf den dünnen Überwurf zurück und sprang aus dem Bett. Die bis zu den Knien reichende Schlafrobe raschelte und die nackten Füße erzeugten auf dem kalten Boden tapsende Laute. Den Vogel nicht aus dem Blick lassend kniete sich Vrokai nieder. Die Bewegungen des kleinen Geschöpfes erschlafften zusehends und in den aufgerissenen Augen war unschwer die Angst zu erkennen. Der Anblick des leidgeplagten Tieres verstärkte das ihn ausfüllende Machtgefühl. Er hob den Sterbenden auf und legte ihn sich auf die rechte Handfläche, um die letzten Herzschläge zu spüren.
Fremdartige Hexenwörter blitzten durch seine Gedanken, und obwohl Vrokai nicht wusste, was es damit auf sich hatte, berührte er mit dem Zeigefinger den zerschmetterten Brustkorb der Kreatur. Er flüsterte: »Fae uin rhaw neitha.« Ein dünner, bläulich schimmernder Rauchfaden löste sich und umspann seine Fingerspitze. Vrokai streichelte mit der Daumenkuppe über das Lichtgebinde. Die Helligkeit nahm zu, sodass er sich geblendet abwandte. Daher bemerkte Vrokai auch zu spät, dass das Licht in seine Haut eindrang. Die Stelle kitzelte, dann brannte es leicht. Ein unbekanntes Gefühl wanderte bis zum Handgelenk hoch, verweilte dort kurz, um sich nach ein paar Atemzügen weiter auszubreiten. Sein Herz hämmerte kraftvoll in der Brust und das ihn erobernde Empfinden entfachte den Glauben, dass er unbezwingbar sei.
Sein Blick glitt vom prickelnden Daumen zum Vogel, dessen seelenloser Körper mit aufgeklapptem Schnabel und verdrehtem Genick auf seiner Handfläche lag. Vrokai kniff die Lider zusammen und sagte: »Fae uin rhaw nestag.« Es passierte nichts, lediglich der Wind verfing sich in dem aufgeplusterten Gefieder des geschundenen Geschöpfes. Vrokai hob bereits den Arm, um es aus dem Fenster zu werfen, da spürte er ein sanftes Kratzen der Krallen. Die Beinchen zuckten und es folgte eine unscheinbare Bewegung der gebrochenen Flügel. Nebenher wölbte sich der Brustkorb und die Atmung setzte wieder ein. Schließlich kehrte das Leben in die Augen zurück und es gelang dem Tier, sich aufzurichten. Benommen schüttelte es das Köpfchen und der nun wache Blick hetzte umher. Es spreizte die Schwingen, schlug einige Male damit, allerdings nicht stark genug, um sich zu erheben. Dennoch strichen die Enden der Federn an den angewinkelten Fingern entlang und verursachten ein Kitzeln.
Die Luft knisterte und den Vogelkörper umgaben plötzlich spärliche Nebelschwaden. Der rötliche Schnabel öffnete sich, jedoch flossen anstelle der lieblichen Melodie dunkle Töne aus der Kehle. Der Vogel erbebte, richtete sich erneut auf, bewegte die Flügel und kippte zur Seite. Fassungslos blickte Vrokai auf ihn hinab. Langsam zerbröselte das Gefieder, bis nur mehr der kahle Körper auf seiner Hand lag. Vrokai rümpfte die Nase und auf der Stirn bildeten sich drei tiefe Falten. Er schnaubte angeekelt, sprang auf die Füße und streckte den Arm aus dem Fenster. Der vom Wald kommende Wind blies über Vrokais offene Handfläche und wehte den mittlerweile zu Staub zerfallenen Vogel über das Gemäuer des Hexerkonvents.
Vrokai lehnte sich vor und versuchte, der sich zügig auflösenden Staubwolke hinterherzusehen. Er war derart mit dem eben Geschehenen beschäftigt, dass er sich der wahren Ausmaße der Hexerei, die ihn keiner gelehrt hatte, noch nicht bewusst war. Die auf ihn einstürzenden Gedanken bewirkten, dass sich das Gefühl von Leere in ihm ausbreitete und er ins Stolpern geriet. Die Knie gaben nach und einzig der rasche Griff nach dem Fensterbrett verhinderte einen Sturz.
Schwer atmend und mit geschlossenen Augen wartete Vrokai, bis der Schwindel so weit nachließ, dass er es wagen konnte, in den Raum der Reinigung zu schlurfen. Mit dem beruhigten Herzschlag kamen die klaren Überlegungen zurück. Nach und nach begriff er, dass es ihm – einen künftigen Novizen aus ärmlichen Verhältnissen – gerade gelungen war, einem Wesen die Seele zu entreißen und sie wieder einzusetzen. Das Wissen, dass der Vogel nicht lange danach gelebt und Finsternis ihn leibhaftig verschlungen hatte, verdrängte Vrokai vehement. Seine Hände schlossen sich zu Fäusten. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte so heftig, bis sein Magen zwackte. Freudentränen sammelten sich an den unteren Augenlidern, wodurch der Blick verschwamm. Erst energisches Hämmern an der Zimmertür ließ ihn verstummen.
»Antwärter!«
Augenblicklich hielt Vrokai inne. Er befand sich auf Höhe des Schlaflagers, da schwang die Tür auf und krachte gegen die Wand.
»Dem Lärm nach zu urteilen dachte ich, dass du für die Erprobung deiner Fähigkeiten bereit bist.« Ein Hexer, gekleidet in einer purpurroten Robe, betrat das Gemach, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Seine Augen streiften über die dürftige Einrichtung und verweilten für einen Moment auf dem über der Stuhllehne hängenden ärmlichen Gewand. Danach wandte er sich Vrokai zu. Seine Miene spiegelte die Ablehnung wider, die Vrokai seit der ersten Auslese, die einer der Äbte durchgeführt hatte, von dem Hexer zu spüren bekam. »Natürlich bist du nicht angekleidet«, bemerkte er mit einem schneidenden Stimmton. Der Hexer machte keinen Hehl daraus, was er von ihm und seiner Anwesenheit hier hielt. »Die Sonne ist längst aufgegangen und du bist noch in deiner Kammer.«
»Verzeiht, Meister Tayne.« Vrokai verbeugte sich ehrfürchtig. »Als ich endlich einschlief, wanderte der Mond bereits im Westen.«
Der Hexer zuckte mit den Schultern. »Du magst begabt sein, aber dein fehlendes Pflichtgefühl verschließt dir die Türen zu den Königshäusern.«
»Ich werde mich bessern«, versprach Vrokai.
»Unzählige Novizen traten vor die Äbte des Konvents und gelobten, sich zu bessern.« Der Hexer schmunzelte gehässig. »Bislang ist es keinem gelungen.«
Vrokai streckte den Rücken durch und reckte das Kinn vor. »Ich werde der mächtigste Hexer auf Erdun sein.«
»Zuerst musst du die Aufnahmeprüfung bestehen, die«, der Hexer sah voller Genugtuung aus dem Fenster, »in Kürze beginnt. Ohne dich!«
Laufschritte hallten von den Wänden wider und kündigten schon von Weitem jemanden in höchster Eile an. Der nach rechts abzweigende Flur kam rasch näher, trotzdem verlangsamte Vrokai nicht. Ganz im Gegenteil, darauf vertrauend, dass niemand hinter der Biegung stehen würde, setzten die Sohlen hart und flott auf dem Steinboden auf.
Nun war es nicht mehr weit, er konnte bereits die nach draußen führende Tür sehen. Zwei Schritte noch. Er streckte den Arm aus, drückte die Klinke hinunter und prallte mit Wucht gegen das Türblatt. Er taumelte zurück und mit einem Keuchen floss die gerade eingeatmete Luft aus dem Mund. In seiner Vorstellung hätte die Tür sich durch den Schwung schneller öffnen müssen. In Wirklichkeit bestand sie aus massivem Holz und es benötigte einen gehörigen Kraftaufwand, um sie aufzubekommen. Vrokai schob kräftig mit den ausgestreckten Armen, bis sich nach und nach der Spalt zwischen dem Rahmen und der Türkante vergrößerte. Kaum war er breit genug, schlüpfte Vrokai hindurch und setzte den Spurt zu dem Prüfungsplatz fort.
Im äußeren Sichtfeld bemerkte er bei Hexern vorwurfsvolles Kopfschütteln und bei älteren Novizen ein verständnisvolles Nicken. Schließlich erreichte Vrokai den Platz und wechselte sofort vom Laufen in einen gemächlichen Gang. Mit erhobenem Kopf, flachem, aber stoßartigem Atem, die schweißnassen Hände hinter dem Rücken versteckt, näherte er sich der wartenden Gruppe.
Seine Augen hetzten von hier nach da. An der westlichen Mauer fand er endlich, wonach er suchte. Einen Schatten! Das erleichterte Lächeln spiegelte das freudig klopfende Herz. Er hatte es wirklich geschafft, rechtzeitig einzutreffen. Der aufgehenden Sonne war es bisher nicht gelungen, die Dunkelheit der vergangenen Mondwanderung vollends zu vertreiben.
Den ihn strafenden Blicken der angehenden Novizen schenkte Vrokai keine Beachtung, vielmehr lag sein Augenmerk zuerst auf einer blonden, bis zur Schulter reichenden Haarpracht, die im Sonnenlicht wie das Hexerwappen des Konvents goldig schimmerte. Dann auf dem schmalen, feinen Gesicht mit der Stupsnase und den roten, schwungvollen Lippen. Einen Moment vergaß er zu atmen und sein Kinn glitt nach unten, sodass er das Mädchen mit offenem Mund anstarrte. Noch war niemand auf den peinlichen Gesichtsausdruck aufmerksam geworden, doch hätte es nicht mehr lange gedauert. Lediglich die Tatsache, dass Taynes Stimme über den Platz schallte, bewahrte Vrokai vor dem zu erwartenden Spott.
»Anwärter, stellt euch in einer Reihe auf!«
Für einige Atemzüge füllten angespannte Laute, tapsende Schritte, raschelnder Stoff und geflüstertes Fluchen die Luft aus. Als Ruhe einkehrte, ging Tayne vor ihnen auf und ab. Seine Augen lagen nur kurz auf jedem Einzelnen, es reichte allerdings aus, die Betrachteten erzittern zu lassen.
»Euer Wunsch ist es also, in die Kunst der Hexerei unterwiesen zu werden«, sagte er gelangweilt. »Die meisten unter euch denken, dass die Hexerkunst ihre Bestimmung ist. Etliche stammen von bedeutsamen Hexern ab und ein paar wenige wurden bei der Auslese entdeckt.« Er hielt vor Vrokai an und blickte ihn boshaft an, während er weitersprach: »Ob ihr wirklich als Novize in diesem Konvent aufgenommen werdet, entscheidet sich nach der Prüfung. Lasst euch gesagt sein, wenn euch das Herz bis zum Hals schlägt und sich der Magen wie ein Wasserstrudel dreht«, Tayne hob den rechten Mundwinkel zu einem verächtlichen Lächeln, »dann ist der Moment gekommen, euch einer anderen Schicksalsfügung zuzuwenden.«
Vrokai schluckte mehrmals, dennoch fühlte sich die Kehle unangenehm trocken an. Der Hustenreiz wuchs bei jedem Atemzug und wurde gleich darauf durch das Luftanhalten verstärkt. Um nichts auf Erdun wollte er unter Taynes Augen eine Schwäche aufzeigen, daher lenkte sich Vrokai mit der Erinnerung an das blonde Mädchen ab. Doch nicht nur ihr Bild, sondern auch die einsetzende Bewegung in der Reihe bewahrte ihn davor. Zwei Burschen, die einige Winter älter als Vrokai waren, traten nach vorn. Sie verneigten sich vor Tayne und gingen schweigend davon.
»Seht darin kein Versagen, erkennt stattdessen die Stärke in der Entscheidung«, bekräftigte Tayne seine Aufforderung. »Das Hexerwerk gibt den Entschlossenen und nimmt von den Zweifelnden.«
»Was nimmt sie?«, rutschte es Vrokai über die Lippen.
»Das Wertvollste«, er klopfte sanft mit den Fingerspitzen auf die Stelle an der Brust, unter der sein Herz lag. »Besitzt noch jemand den Mut, sich seine Untauglichkeit einzugestehen?«
Verstohlene Blicke wurden ausgetauscht und mit den Schultern gezuckt. Bei manchen verdrehten sich die Augen skeptisch.
»Nun gut, dann folgt mir«, forderte Tayne sie auf und lief auf ein doppeltes Tor zu.
Eigentlich erwartete Vrokai, dass der Hexer Magie zum Öffnen weben würde, aber als Tayne bis auf eine Armlänge herangetreten war, schwangen die Flügeltüren – geführt durch zwei Wachen – nach innen auf. Ein Saal breitete sich vor ihnen aus, an dessen gemauerten Wänden die acht Banner der einflussreichsten Hexergilden auf Erdun jeweils einzeln zwischen den Fenstern hingen. Der Windzug schwor eine fließende Bewegung herauf, wodurch die reichlich bestickten Verzierungen darauf im Sonnenlicht erstrahlten.
Zuerst klackerten die Schritte auf dem Holzboden, doch je weiter die angehenden Novizen die Halle betraten, umso verhaltener setzten sie die Füße auf. Ungewollt oder eher noch unbeabsichtigt fand sich Vrokai plötzlich an der Spitze der Gruppe wieder. Er sah gehetzt über die Schulter, danach gerade aus. Auf einem Podest standen drei besetzte Stühle. Durch die von Taynes Robe abweichende Farbe sowie prächtige Machart nahm Vrokai an, dass es sich dabei um hochgestellte Hexer handelte. Seine Annahme bestätigte Tayne durch eine ergebene Verbeugung. Da die Augen der Meister auf der Truppe ruhten, war ein unauffälliges Zurückweichen nicht mehr möglich.
»Das sind sie nun«, sagte der in der Mitte Sitzende. Er strich mit Mittelfinger und Daumen mehrmals über seine Kehle. »Sie wissen, was ihnen bevorsteht?«
»Wissen, ja, glauben, nein«, antwortete Tayne.
»Lasst uns beginnen«, forderte der linke Hexenmeister.
Tayne drehte sich um und streckte den Zeigefinger aus. »Du, du und du, folgt mir.«
Ein Junge und ein Mädchen gingen an Vrokai vorbei. Er hingegen verharrte noch einen Moment und fluchte innerlich. Natürlich wählte Tayne ihn aus. Ein Scheitern war somit unausweichlich. Mit schlaffen Schultern, herunterhängendem Kopf und schlürfenden Schritten gehorchte er der Aufforderung.
»Hier entlang.« Tayne betrat einen Raum, in dem die einzige Lichtquelle eine ruhige Flamme auf einer Kerze war. Die Helligkeit reichte nicht aus, um die Tischkante der Dunkelheit zu entreißen. Die Tür schloss sich hinter ihnen und zurück blieb die erdrückende Stille. Die Stiefelsohlen erzeugten keinerlei Geräusche, nicht einmal die durch die Angst beschleunigte Atmung störte die Ruhe.
»Stellt euch um den Tisch herum auf.«
Taynes tiefe Stimme fand ihren Weg wie ein Peitschenknall an Vrokais Ohr. Er zuckte zusammen und ein Schaudern forderte ein Zittern ein. Die Lautlosigkeit kehrte wieder und zerrte an seinen Nerven. Er wartete auf einen weiteren Befehl, doch kein Wort verließ Taynes Kehle. Die Überzeugung, dass der Hexer sie hier zurückließ, wuchs bei jedem Herzschlag. Nur für einen Moment glaubte Vrokai, die Anwesenheit von unbeschreiblicher Düsternis zu spüren.
So plötzlich wie es gekommen war, so abrupt wich das Gefühl. Ein dumpfer Laut veranlasste Vrokai, das Gesicht nach links zu drehen. Er kniff die Lider zu einem Schlitz, umsonst, es gab nichts zu entdecken. Dann hörte er ein entsetztes Atemholen, gefolgt von demselben Geräusch wie zuvor. Erneut streifte ihn eine Kälte, die sich aber wohltuend im Körper ausbreitete.
Das grelle Licht, das durch die jäh aufgerissene Tür den Raum durchflutete, blendete Vrokai. Er schirmte die Augen ab und blinzelte, bis sich die Sicht schärfte. Sein Blick glitt ohne ersichtlichen Anlass zu Boden. Dort wo der erste Aufprall seine Aufmerksamkeit einforderte, lag das Mädchen. Ihre sonst zarte Haut war nun eingefallen und spannte sich stramm über den kantigen Gesichtsknochen. Der Mund war für einen Schrei geöffnet, der jedoch nie ihren faltenreichen Hals verließ.
»Auf was wartest du?«, störte Tayne seine Betrachtung.
»Was ist mit ihnen geschehen?« Vrokai ging an der Entseelten vorbei, dabei suchte er weitere Anzeichen für eine Erklärung.
»Sie wurde als nicht würdig erachtet.«
»Und der Junge?«
»Auch nicht«, antwortete Tayne gleichgültig.
»Und ich?«
»Ich werde mich deines Schicksals annehmen.« Ein raues Lachen rollte über die schmunzelnden Lippen. »Die kommenden drei Winterkreisläufe werde ich alles mir in der Macht stehende tun, damit du dich wie eine Dirne in einer Mondwanderung aus dem Konvent schleichst.«